Wissenschaftsphilosophisches Forum Gießen

Treffen am 19. März 2001




Volker Thönnes: Das Phänomen des Roten Fadens


Mit diesem Arbeitstitel soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Erleben des kontinuierlichen Bewusstseinsstroms vom einzelnen Menschen auf die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie übertragen wird. Retrospektiv wird, ausgehend vom faktischen Festhalten (-Wollen) am erlebten Ich-Begriff, im je eigenen Dasein so im Heideggerschen Sinn Sorge dafür getragen, einen "Roten Faden" sehen zu können. In der Psychologie spricht man vom Phänomen der kognitiven Dissonanz (Festinger et al. 1957), was singuläre Handlungen anbelangt, die im Widerspruch zu den eigenen Werten und Überzeugungen stehen. Menschen neigen demnach dazu, solche Antinomien aufzulösen, indem qua kognitiver Vorgänge Rationalisierungen einsetzen.

Eine der zentralen Thesen, die ich im Rahmen einer Dissertation untersuchen möchte, ist die folgende: Aufbauend auf den frühen Vorlesungen Heideggers wird so etwas wie ein "Phänomen der ontologischen Dissonanz" aufgewiesen: Menschen interpretieren ihren Seinsentwurf fortwährend dahin gehend neu, daß sie eine gewisse Kontinuität in jenem Geschehen sehen und postulieren können, das ihr je eigenes Leben darstellt. Eine etwaige ontologische Dissonanz wird ergo deshalb nicht zu Tage treten, weil das je eigene Dasein dafür Sorge trägt, eine ontologische Konsonanz zu evozieren. Die faktisch auftretenden Inkongruenzen zwischen prätendierten Motiven und Überzeugungen erlebter Gegenwart einerseits und der Erinnerung an zurückliegende Ereignisse und Begebenheiten andererseits werden im Rahmen einer "Ablaufskontinuität" (Bergson) gleichsam "eingeordnet", um am Ich-Begriff festhalten zu können. Ziel ist es, jene Ablaufskontinuität Bergsons in einen Zusammenhang mit Heideggers Überlegungen zu bringen, wobei ich gegenwärtig daran arbeite, diese Verbindung zu suchen respektive herzustellen.


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